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Kategorie: > sonstiges > Mythos Wasser
Wie tief ist der Brunnen?
Gast (Jens Kumbruch)
(Gast - Daten unbestätigt)

  01.12.2011

Wie tief ist der Brunnen?

Diese Frage ist wohl stets die erste Frage gewesen, die von Gästen gestellt wird, die mich in meinem Garten besucht haben. Der moderne, aufgeklärte, um nicht zu sagen abgeklärte und der Natur weitgehend entfremdete Mensch, so er schaudernd vor dem dunklen Loch im Boden steht und sich den esoterischen Schwingungen des Wassers, wie auch den aufkommenden Erinnerungen an die Sagen- und Märchenwelt ferner Kindheitstage nicht wirklich zu entziehen vermag, ist dann immer schnell bemüht, diesem Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber dem Ungewissen dadurch zu begegnen, indem er nach einem mess- und begreifbaren Wert fragt. Diese Information, eine simple Meterzahl, schafft es somit, den Brunnen seiner Mystik zu berauben, weil eine Tiefenangabe, eine einfache Zahl, technisch verifizierbar und für den Fragenden, der letzten Endes trotz seiner Aufgeklärtheit oder unterbewusst insgeheim zweifelt, ob nicht doch etwas an den alten Erzählungen stimmen mag, die Möglichkeit darstellt, sich dem Unbekannten, der Angst machenden Mystik der Brunnenwelt zu entziehen. Ein Brunnen wird in Sagen und Märchen sehr häufig als Tor in eine andere Dimension bzw. eine andere Welt beschrieben.
Eine Tiefe in Metern ist demgegenüber sehr real und gut vorstellbar. „Ach, der ist ja gar nicht so tief, wie ich gedacht hatte.“ Der Fragende hat seine Antwort und stellt erleichtert fest, dass der dunkle Schacht doch nicht so grundlos ist und einen festen, messbaren Boden hat. Was unten fest und zu ist, kann nicht gleichzeitig ein offenes Tor in eine Anderswelt sein.

Was also tun, wenn wieder mal gefragt wird, wie tief der Brunnen ist?
Die einfachste Möglichkeit wäre, die Frage gar nicht zu beantworten. Das aber ist gewiss unhöflich.
Eine weitaus schönere Art, dem erstgenannten Zweck des Brunnens zu dienen, ist aber, dem Fragenden die folgende Begebenheit zu erzählen:

Du fragst, wie tief dieser Brunnen ist?

Nun, wenn Du das wirklich wissen willst, so will ich Dir erzählen, was sich zugetragen hat, als ich einmal vor Jahren versuchte, die Tiefe des Brunnens auszuloten. Mir war nämlich eine Gartenschere in den Brunnen gefallen, die ich auf dem Brunnenrand abgelegt und aus Versehen angestoßen hatte. Um die Schere wieder aus dem Brunnen zu angeln, nahm ich einen großen Magnet und band ihn fest an eine bestimmt 50 Meter lange, reißfeste Drachenleine. So hoffte ich, die metallene Schere mit etwas Glück und Hilfe des starken Magneten ohne große Mühe wieder aus dem Brunnen zu fördern. Ich ließ also den Magnet an der Schnur vorsichtig hinab in den Brunnen, bis dieser im dunklen Wasser versank und schnell nicht mehr zu sehen war. Sobald der Magnet im Wasser war, wog er naturgemäß etwas weniger, war aber doch schwer genug, um die Leine weiter ordentlich nach unten zu ziehen. So wickelte ich Meter um Meter von der roten Spule ab und hoffte darauf, dass der Grund des Brunnens nicht so schlammig und weich sei, dass meine Schere darin unerreichbar versunken wäre. Jedoch, der Grund ließ auf sich warten. Ich hatte schon fast die Hälfte der Spule abgewickelt und der Magnet zog immer noch unverändert Leine nach. Dann endlich ließ der Zug nach und die Leine lag schlaff in meiner Hand. „Du meine Güte!“ dachte ich, „Bei solch einer Tiefe wird es aber sehr schwer werden, die Schere mit dem Magneten zu erwischen.“ Trotzdem versuchte ich mein Glück und lupfte die Leine einige Male leicht an und führte dabei die Schnur weiter zur Mitte des Brunnens. Zweimal setzte der Magnet weich auf und der Zug ließ jedes Mal nach. Jedoch war er beim Anheben nicht schwerer geworden. So konnte er auch die versunkene Gartenschere nicht erfasst haben. Doch beim dritten Mal zog er plötzlich wieder die Leine in die Tiefe. „Das kann doch nicht sein!“ rief ich erschrocken aus. Ging denn der Brunnen noch tiefer? War der Magnet nur auf einem kleinen Randvorsprung zum Liegen gekommen und sank jetzt weiter in die unbekannte schwarze Tiefe? Schaudernd ließ ich Meter um Meter der Leine von der Spule ablaufen. Gleichmäßig zog der Magnet weiter nach unten. Schließlich war das Ende der Leine erreicht, das zum Glück fest mit der Spule verknüpft war, sonst hätte ich das Ende womöglich auch noch verloren. Ratlos rührte ich mit der Schnur im Brunnen herum, hoffte darauf, dass die Zugkraft der Leine nachließe, dass 50 Meter Tiefe nur Einbildung oder Messfehler wären. Doch immer noch zog die Leine nach unten. Die Gartenschere konnte ich wohl abschreiben. Etwas aus noch größerer Tiefe zu bergen, war ein Lotteriespiel, bei dem ich nicht gewinnen würde. Eine weitere Schnur anzubinden, hätte gewiss keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Gerade als ich mich dazu entschlossen hatte, die Bergungsaktion aufzugeben und die Leine wieder aufspulen wollte, da riss plötzlich etwas mit Gewalt an der Leine. Nur mit viel Glück behielt ich die Spule noch in der Hand und sprang erschrocken einen großen Schritt rückwärts, weil ich Angst bekam, kopfüber in den Brunnen hinein gezogen zu werden. Krampfhaft umklammerte ich die Spule und versuchte wieder die Leine einzuholen. Da gab es einen zweiten gewaltigen Ruck und die Leine wurde schlaff. Ich starrte entgeistert auf die rote Spule in meiner Hand, die plötzlich ganz leicht geworden war. Wer oder was hatte da an der Leine gerissen? Gab es da unten vielleicht große weiße Grundwasserfische, die nach meinem Magneten geschnappt und ihn glatt abgebissen und verschlungen hatten? Wie sollte so ein Vieh, das in der Lage war, Stahl zu fressen, in einem so schmalen Brunnenschacht leben können? Oder war der Schacht dort unten in der Tiefe etwa viel weiter?
Vollkommen verwirrt wickelte ich die Leine wieder auf die Spule und beeilte mich, die Schnur so schnell wie möglich wieder aus dem Wasser zu ziehen, bevor noch mal jemand daran reißen konnte. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass das Ende der Leine den Magneten nicht mehr festhielt und vollkommen zerfasert war. Auch schien die Leine etwas kürzer geworden zu sein. Aber das konnte ich nicht mehr nachhalten. Ich habe das Endstück der Leine zum Beweis aufbewahrt (Du kannst es Dir anschauen) und seitdem keinen Versuch mehr unternommen, die Tiefe des Brunnens auszuloten. Einerseits aus Angst, dabei mit einem plötzlichen, gewaltigen Ruck in den Brunnen gezogen zu werden und jämmerlich zu ersaufen, andererseits aus Furcht, mit meinem Lot in eine bodenlose Tiefe vorzudringen, die vielleicht gar nicht nur 90 Zentimeter im Durchmesser misst und dabei wen oder was auch immer dort in seiner dunklen Welt zu stören; diesen Wesen mit der Leine womöglich gar einen Weg zur Oberfläche zu weisen, den sie vorher gar nicht fanden?

Nein, ich möchte keine Brunnenwesen in meinem Garten wissen, die Stahl fressen können. Ich sitze gern hier oben in der Sonne, schaue auf meinen unergründlich tiefen Brunnen und freue mich, wenn die Dinge so bleiben, wie sie waren und gehören.

Jens Kumbruch 24.08.2011

Dieser Beitrag wurde nachträglich editiert!



Anzahl der unterhalb stehenden Antworten: 6
Gast (Jens Kumbruch)
(Gast - Daten unbestätigt)

  14.12.2011
Dieser Text bezieht sich auf den Beitrag von Gerd-Wilhelm Klaas vom 14.12.2011!  Zum Bezugstext

@Admin:
Ich habe Ihnen gerade geantwortet.
Das Copyright kann gelöscht werden, da die Geschichte gerne kopiert werden darf. Das (C) habe ich hinzu gefügt, weil ich gerne hätte, dass beim Kopieren nicht vergessen wird, meinen Namen mit zu kopieren.

Leider kann ich als Gast den Beitrag nicht selbst nach bearbeiten. Ich müsste Sie also darum bitten, das (C) zu löschen.
Gerd-Wilhelm Klaas
infowasser.de
(Administrator)

  14.12.2011

Sehr geehrter Herr Kumbruch,
ich hatte Ihnen privat eine email zugesandt, auf der sie noch nicht geantwortet haben.
Es geht um die hier eingestellte Geschichte bzw das copyright.
Alle die diese Geschichte mögen, sollten sie sich kopieren, da sie mit Copyright behaftet in den nächsten Tagen hier im Forum gelöscht wird.
Mit freundlichen Grüßen

Gerd
Gast (Jens Kumbruch)
(Gast - Daten unbestätigt)

  13.12.2011
Dieser Text bezieht sich auf den Beitrag von Christoph Weidner vom 12.12.2011!  Zum Bezugstext

So möge es sein!

Als "Beweis" für die Geschichte, genügt ein halber Meter fester Drachenleine, die man an einem Ende solange mit einem Hammer bearbeitet hat, bis dieses ganz zerfasert ist. ;-)

Gast (Christoph Weidner)
(Gast - Daten unbestätigt)

  12.12.2011
Dieser Text bezieht sich auf den Beitrag von Jens Kumbruch vom 11.12.2011!  Zum Bezugstext

Danke für die nette Geschichte. Wenn bei uns wieder wer fragt, dann werd ich mal was ähnliches erzählen. Bin auf die Gesichter gespannt :D
Gast (Jens Kumbruch)
(Gast - Daten unbestätigt)

  11.12.2011
Dieser Text bezieht sich auf den Beitrag von Lothar Gutjahr vom 02.12.2011!  Zum Bezugstext

Nun, es geht auf Weihnachten zu und da kann ein kleines Märchen nicht schaden.

Zwei Gedanken, die in diesem Zusammenhang erwähnenswert sind:

1. Das Dimensionstor des Kinofilms / der TV-Serie "StarGate" ist ein um 90° gekippter Schachtbrunnenring. Das Öffnen des Tores gleicht dem Eintauchen in das Wasser. Die Dimensionsgrenze wird als Wasserspiegel dargestellt. Die Mystik wurde hier gut umgesetzt.

2. Wer einen Schacht "abteuft", der kommt naturgemäß dem "Herrn der Unterwelt" mit zunehmender "Teufe" etwas näher. Wie der wohl heißt?
Lothar Gutjahr
erfinderleint-online.de
(gute Seele des Forums)

  02.12.2011

Vielen Dank Jens Kumbruch für den literarischen Beitrag. Ist ja auch viel schöner, mal so etwas zu lesen, als sich um nicht messbare und/oder nicht bewertbare Chemikalien in die Wolle zu kriegen.

Gruß Lothar



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