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Kategorie: > Telefone 1930 bis 1967
Aufbau eines Folienkondensators
BattleToad
supertoadweb.de
(Mailadresse bestätigt)

  04.10.2015

Hallo liebe Forumsmitglieder,

sonst lobe ich ja immer die Langlebigkeit der Folienkondensatoren in alten Telefonen, aber jetzt habe ich selbst einmal einen kaputten :-).

Es handelt sich um den Kondensator eines OB33 der schon bessere Tage gesehen hat und jetzt als Teileträger dient (es ist der mit dem Zinkfraß am Induktor aus einem früheren Thread). Ich experimentiere gerade mit Kapazitätsmessungen von Kondensatoren im eingebauten Zustand. Weil mich beim obenerwähnten Teileträger das Ablöten vom Kabelbaum nicht stört, wollte ich dessen Kondensator zum Vergleich "mit" und "mit ohne" Kabelbaum durchmessen.

Beim genauen Hinschauen sah der Kondensator dann so aus (Bilder 1 und 2) - oh weh. Im Verlauf des Ablötens habe ich von einem Kontakt Unmengen an Lötzinn abstreifen müssen, welches Ihr jetzt als Lötperle des Grauens bewundern könnt (Bild 3) - das erinnert mich an meine frühen Lötkünste als Unter - Zwanzigjähriger :-). Beim Durchmessen hat sich dann bestätigt, dass der Kondensator je nach Laune einen Feinschluss (Widerstand ein paar kΩ) oder auch einen Kurzschluss (Widerstand ca. 20Ω) hat - er ist also unbrauchbar :-(. Aber machen wir diesen Nachteil doch zu unserem Vorteil! Schauen wir mal, wie dieser Kondensator von innen aussieht, bei dem kommt's ja nicht mehr drauf an. Weil ich vermute, dass das den Einen oder Anderen im Forum interessieren könnte, gibt es dieses mal einen "tear-down" Bericht mit Bildern :-).

1. Schritt - Haltekrampen:
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Ich habe die Haltekrampen des Deckels vorsichtig aufgebogen (Bild 4).

2. Schritt - Deckel entfernen:
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Ich wollte den Deckel abheben - ging aber nicht. Er hing nämlich an zwei Anschlussdrähten fest (Bild 5), die von den Lötfahnen des Folienwickels durch zwei kleine Löcher im Deckel gehen und an den kleinen Ösen vor den großen Lötaugen festgelötet sind. Mir waren diese kleinen "Hörner" schon immer aufgefallen, und jetzt weiß ich endlich, wofür die da sind :-). Also habe ich die beiden Drähte von den Hörnern abgelötet und konnte den Deckel abnehmen (Bild 6). Ein Blick in den Becher des offenen Kondensators offenbart - nichts (Bild 7), denn er ist mit Wachs/Paraffin ausgegossen...

3. Schritt - was nun?!
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Erst einmal habe ich mit einer Rasierklinge das Paraffin oben von den Becherwänden gelöst in der Hoffnung, dass die Paraffinschicht nur eine Art Deckel ist der anschließend rausfällt. Anschließend hatte ich blutige Finger und das Paraffin war wenig beeindruckt :-(. Also habe ich angefangen, das Paraffin mit geeigneten Gegenständen (Zahnstocher, Schaschlikspieß...) herauszukratzen, und nach einem halben Zentimeter Ausgrabung zeigten sich schließlich erste Strukturen (Bild 8).

4. Schritt - Ausbohren des Paraffins:
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Offenbar wird der Innenraum des Bechers durch Pertinaxplatten ausgekleidet und unterteilt. Er enthält einen Zylinderförmigen Folienwickel, der für den Becher eigentlich zu klein ist und durch die Pertinaxplatten fixiert werden muss. Sämtliche verbleibenden Hohlräume waren vollständig mit Paraffin ausgegossen. Die schwer zugänglichen noch mit Paraffin gefüllten Ecken um den Folienzylinder habe ich so behandelt: Ich habe in das Paraffin kleine Handbohrer (Bild 9) hineingedreht und konnte dann vorsichtig große Paraffinstücke durch Ruckeln herausbrechen. Schließlich war das Paraffin fast ganz weg (Bild 10).

5. Schritt - Zerlegung des Kondensators:
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Nach dem Entfernen des Paraffins konnte ich den Folienwickel (Bild 11) und die Pertinaxplatten herausziehen (die Bodenverkleidung klebt allerdings noch im Becher fest :-)). Hier sieht man alle Einzelteile des Kondensators auf einen Blick (Bild 12): Becher, Folienwickel, Pertinaxplatten, Deckel, Paraffin.

6. Schritt - Analyse:
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Ich vermute mal, dass bei Einführung dieser Bauform von Kondensatoren (eventuell in den Zwanziger Jahren?) die Folienpakete noch so ausgesehen haben wie im Goetsch beschrieben (Bild 13) und genau in den Becher gepasst haben. In den Fünfziger Jahren war man offenbar in der Lage, dieselben Spezifikationen (Kapazität, Durchschlagfestigkeit...) in einer kleineren Bauform zu realisieren, hier noch einmal der etwas gesäuberte Folienzylinder (Bild 14). Der Kurzschluss ist durch den Ausbau weder besser noch schlechter geworden. Durch leichtes Wackeln an der oberen Lötfahne kann ich den Widerstand des Kondensators etwas manipulieren, aber weg geht der Kurzschluss nicht. Ich frage mich, was diesen Schaden verursacht haben kann, denn so wie der Zylinder eingegossen war kann das Papier eigentlich keine Feuchtigkeit abbekommen haben... Vielleicht war es ja doch ein elektrischer Schaden durch Überspannung, Funkenüberschlag und Abbrand des dielektrischen Paraffinpapiers in der Nähe der oberen Lötfahne, wer weiß.

Witzig ist, dass ich den Kondensator jetzt wieder zusammensetzen könnte, und mit etwas Glück würde sogar das Ausgießen mit dem erwärmten und verflüssigten Originalparaffin gelingen :-). Alternativ könnte man einen heute erhältlichen Folienkondensator mit passenden Spezifikationen wie diesen hier (Bild 15) in dem Becher verschwinden lassen. Nach Anbringen von Anschlussdrähten am Originaldeckel wäre er dann unsichtbar.

Ich hoffe, dieser Einblick in den Aufbau eines Telefonkondensators war interessant. Weil Ihr nun wisst wie sie innen aussehen könnt Ihr Eure eigenen Kondensatoren jetzt in Ruhe lassen :-).

Gruß Ralph







Anzahl der unterhalb stehenden Antworten: 1
Stefan Roth
(Mailadresse bestätigt)

  05.10.2015

Schöne Beschreibung, danke! In der Radiotechnik ist dieses Verfahren schon lang bekannt, denn bei der Restaurierung alter Röhrenradios orientiert man sich gern am Original. Auch Gehäuse von Trockengleichrichtern lassen sich aushöhlen und mit modernen Dioden befüllen (die erforderlichen Vorwiderstände sollte man wegen der Wärmeentwicklung doch lieber "draußen" montieren.

Wird der gezeigte WIMA-Folienkondensator auf diese Weise verbaut, dürfte der Apparat an dieser Stelle wohl die nächsten Jahrzehnte keine Schwachstelle mehr haben...



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